Im Kino sorgt gerade eine Verfilmung des Lebens von Lady Di, der Queen of Hearts, für Furore. Ihr tragischer Tod 1997 rührt noch heute die Herzen vieler an. Vor 250 Jahren, am 14. Januar 1772, verstarb mit Marie von Hessen-Kassel eine ebenso außergewöhnliche Frau. Auch ihr Leben war geprägt von Tragik, obwohl alles zunächst ganz anders aussah. Als Tochter des britischen Königs Georg II. hatte sie 1740 den drei Jahre älteren Erbprinzen Friedrich II. von Hessen-Kassel geheiratet. Vier Söhne entstammen dieser Verbindung und nach dem Tod von Friedrichs Vater hätte sie an der Seite ihres Gatten als Landgräfin residieren können. Doch verlief die Ehe nicht sonderlich harmonisch und als 1754 der heimliche Übertritt Friedrichs zum Katholizismus bekannt wurde, kam es zur umgehenden Trennung der beiden. Um eine Wiederverheiratung Friedrichs zu verhindern wurden die Eheleute jedoch nicht geschieden. Marie zog mit ihren vier Söhnen nach Hanau, als Regentin der dortigen Grafschaft, die 1736 an Hessen-Kassel gefallen war. Dort ließ sie nicht nur das Stadtschloss umbauen, sondern auch einen der ersten englischen Landschaftsgärten in Deutschland anlegen. Ihren Ehemann sah sie jedoch nie wieder. Dennoch kam es auch in Kassel unter Friedrich II. zu engen Beziehungen zur Kunst Großbritanniens, die unter seinem Nachfolger, dem von Marie zunächst in Hanau aufgezogenen Wilhelm IX. mit der Umgestaltung des Bergsparks und der Errichtung der Löwenburg noch heute sichtbar sind. Seine Mutter Marie ist in Kassel vor allem durch einige Porträts in lebendiger Erinnerung. Eines davon entstand im Schicksalsjahr 1754 und stammt von dem frisch nach Kassel berufenen Hofmaler Johann Heinrich Tischbein d. Ä., dessen 300. Geburtstag sich im Oktober jährt.
Jeder neue Karton ist wie ein Geschenk – Ein Einblick in das Projekt zur Digitalisierung der modernen Graphik
Unter ihrer Online-Datenbank hat die Museumslandschaft Hessen-Kassel bisher insgesamt 53.765 ihrer Objekte virtuell zugänglich gemacht – Tendenz stetig steigend. Solche online-Datenbanken geben Kunstinteressierten die Möglichkeit, sich schnell und bequem vom heimischen Rechner aus über die Bestände der MHK zu informieren, Lieblingsstücke zu Hause anzuschauen und auch Kunstwerke kennenzulernen, die normalerweise im Depot schlummern. Sie stellen außerdem ein mittlerweile unverzichtbares Instrument für Forschende auf der ganzen Welt dar.
Seit Juni 2021 werden die Bestände moderner und zeitgenössischer Gemälde und Graphik in der Graphischen Sammlung und der Neuen Galerie digitalisiert und systematisch in der Datenbank veröffentlicht. Hierzu müssen Datensätze mit wissenschaftlichen Informationen gefüttert, Bildrechte angefragt und nicht zuletzt qualitativ hochwertige, hochauflösende Abbildungen der Kunstwerke angefertigt werden. Druckgraphik und Zeichnungen werden dafür von studentischen Hilfskräften auf einem Spezialscanner eingescannt. Zwei dieser Hilfskräfte sind Shao-Min Sun und Lina Mackensen, die beide Kunstgeschichte im Master an der Universität Göttingen studieren. Für die Arbeit im Digitalisierungsprojekt pendeln sie neben dem Studium jede Woche nach Kassel, wo sie in der Regel sieben Stunden am Tag Originalgraphik einscannen. Die Graphiken sind alphabetisch nach Künstlern geordnet und werden in sogenannten Graphikkapseln, bzw. Graphikkartons, gelagert, die ihnen nach und nach zum Scannen bereitgestellt werden. Lina und Shao-Min geben in unserem heutigen Blogbeitrag einen kleinen Einblick in ihre Arbeit:
Habt ihr vor der Tätigkeit in Kassel schon mit Museumsdatenbanken gearbeitet?
Shao-Min: Ich habe schon an der Religionskundlichen Sammlung in Marburg gearbeitet und dort geholfen, Objekte in die Datenbank einzugeben. In Göttingen habe ich dann Kurse zur Digitalisierung besucht und weitere Museumsdatenbanken kennengelernt.
Lina: Im Studium nutzt man ja sowieso selbstverständlich die Datenbanken von Museen für Referate und Hausarbeiten. Besonders dafür, dass man die Abbildungen benutzen kann, bin ich sehr dankbar.
Worauf kommt es für euch bei einer guten Abbildung an?
Lina: Die Auflösung muss natürlich gut sein und die Darstellung muss möglichst gerade und ausgewogen positioniert werden. Das Ausrichten der Graphik auf dem Scanner ist manchmal schwierig, weil die Bilder oft schief auf das Blatt gedruckt sind. Manchmal hat man auch Werke, die wegen ihrer Materialität eine Herausforderung für den Scanner darstellen, zum Beispiel wenn Oberflächen stark glänzen. Es gibt doch immer wieder widerspenstige Objekte, die nicht gut abgebildet werden können.
Wie viele Scans schafft ihr so am Tag?
Shao-Min: Am Anfang waren wir langsamer, am ersten Tag haben wir zu zweit 66 Scans gemacht. Mittlerweile haben wir uns verdoppelt. Wenn es gut geht schaffe ich alleine 70 bis 80 Scans, zu zweit 140 oder 150.
Und wie sieht so ein typischer Arbeitstag bei euch aus?
Lina: Ich will jetzt nicht sagen monoton, aber… [lacht]. Also generell entwickelt man schnell eine Routine.
Shao-Min: Und ab und zu kommen dann besondere Momente oder Objekte. Bei jeder neuen Grafikkapsel ist es, als würde man ein Geschenk auspacken, so unterschiedlich sind die Objekte, die in einem Karton sind.
Sind euch denn Werke begegnet, die euch besonders in Erinnerung geblieben sind?
Lina: Es ist immer cool, wenn man es plötzlich mit einem total großen Namen zu tun hat. Neulich habe ich zum Beispiel Graphik von Picasso eingescannt.
Shao-Min: Ich mag die Arbeiten von Paul Baum sehr gern!
Und wie ist es für euch, so unmittelbar mit den Originalen zu arbeiten?
Lina: Das ist schon toll, wirklich die Kunstwerke in die Hand nehmen zu können. Es ist wirklich etwas Besonderes, so nah an die Originale heranzukommen und den sicheren Umgang mit ihnen zu lernen. Ganz am Anfang hatte ich richtig Angst, die Objekte anzufassen, aber mittlerweile habe ich ein viel besseres Gefühl für den Umgang mit originalen Kunstwerken.
Hat sich durch eure Arbeit in Kassel euer Blick auf Museumsdatenbanken verändert?
Shao-Min: Vorher bin ich selbstverständlich davon ausgegangen, dass es Museumsdatenbanken gibt und die ganzen Informationen einfach vollständig zugänglich gemacht werden. Aber nun ist alles plötzlich viel komplexer. Manche Informationen verändern sich oder sind noch ungesichert. Man merkt schon, ob ein Museum Geld in seine Datenbanken steckt oder nicht.
Lina: Genau! Da merkt man schon viele Qualitätsunterschiede. Dadurch, dass wir selbst Graphik einscannen, weiß ich jetzt gute Abbildungen in einer Museumsdatenbank viel mehr zu schätzen. Es ist verdammt viel Arbeit, aber es ist eben auch verdammt wichtig!
Wir danken Shao-Min und Lina herzlich für das Gespräch.
“All’alta fantasia qui mancò possa.” – Dante zum 700. Todestag
So bescheiden am Ende des Meisterwerkes die mangelnde Sprachkraft für die Schau des Göttlichen umschrieben wird, so beeindruckend und bildgewaltig ist das Werk im Ganzen. Der Schriftsteller Dante Alighieri (1265–1321) ist vor allem für seine Divina Commedia (dt. Göttliche Komödie) bekannt, in welcher er seine Reise durch das Jenseits beschreibt. Die herausragende Stellung dieses Werkes für die Verfestigung des westlichen Jenseitsverständnisses ist bis heute ungebrochen.
Was ist nun aber der Grund des besonderen Interesses aus Kasseler Sicht? Gut 1.100 km trennen Florenz und Kassel und doch sind sie sich näher als gedacht: Seit 1952 besteht unter dem Motto „Kulturbegeisterung baut Brücken“ die Verbindung der beiden Städte, die nicht zuletzt von der Deutsch-Italienischen-Gesellschaft in Kassel bestärkt wird. Da versteht es sich natürlich von selbst einem der berühmtesten Kinder der Partnerstadt zum Jubiläum besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
1265 wurde Dante in Florenz geboren. Sowohl Poesie als auch Politik waren für ihn von Interesse: Neben der ersten Veröffentlichung, der Vita Nuova, übernimmt er außerdem politische Ämter in seiner Heimatstadt. Trotz seiner Hochzeit mit Gemma Donati, ist es eine andere Dame, welche Dante in seinen Schriften beschäftigt: Beatrice. Doch nicht nur von dieser wird Dante getrennt sein. Aufgrund der Rivalitäten der Ghibellinen und Guelfen (Kaiser- bzw. Papsttreue) muss der Poet seine geliebte Heimatstadt verlassen und lebt ab 1302 im Exil, in welchem er die Commedia verfasst. Unterteilt ist das Erlebnis in drei Abschnitte – Hölle, Fegefeuer und Himmel – durch welche er vom antiken Dichter Vergil geführt wird. Verschiedene Bezüge zu historischen Charakteren zeugen sowohl von Liebe als auch Abneigung seiner Heimatstadt gegenüber. Beatrice wird zur Leitfigur der unerfüllten Nähe und übernimmt im letzten Teil die Führung des Poeten durch die himmlischen Sphären. Kurz nach Vollendung der Commedia verstirbt Dante am 14.09.1321 in Ravenna.
In der Kasseler Sammlung befinden sich verschiedene Werke, die einen direkten oder indirekten Bezug zu Dante aufweisen. Einige Stiche zeigen das markante Gesicht mit dem Lorbeerkranz (Abb. 1), wohingegen Trübners großformatiges Ölbild in der Neuen Galerie (Abb. 2) eindrucksvoll eine Passage des Infernos illustriert (Inf. 5).
Aber auch Dante erfand das Jenseits natürlich nicht gänzlich neu, sondern rezipierte bis in die Antike reichende Modelle, die das Leben nach dem Tod definierten. Die Cebes-Tafel Pieter Claessens zeigt Hades und Elysium (Abb. 3), sozusagen die vorchristlichen Pendants zu Inferno und Paradiso. Auch hier werden bereits Fromme und Sünder nach dem Tod entweder für ihr vorbildlichen Leben belohnt oder müssen ihre Strafe verbüßen.
Es finden sich also viele gute Gründe Dante und die Commedia einmal mehr in den Fokus zu rücken. So widmet sich auch die Gemäldegalerie Alte Meister zu seinem 700. Jubiläum der Thematik und betrachtet einmal näher die Jenseitsreisen in den eigenen Beständen und ihre Verbindung zum Florentiner Poeten.