Kunstkrimi in Kassel: Die verschwundene Elfenbeindose

Eine kostbare Puderdose aus Elfenbein galt lange Zeit als Kriegsverlust. Ende 2018 kehrte sie nach 73 Jahren ins Hessische Landesmuseum zurück: Ein Landgraf, eine Königin und ein amerikanischer Soldat – die Geschichte liest sich wie ein Krimi.

Abb.: Puderdose aus Elfenbein, MHK

1710 wurde der dänische Elfenbeindrechsler und -händler Gottfried Wolffram in Kassel vorstellig, um dem Landgrafen Carl von Hessen-Kassel eine Dose aus Elfenbein zu verkaufen. Auf dem Deckel des Sammlerstücks befanden sich die Initialen seiner Schwester, der dänischen Königin Charlotte Amalie. Jahrhundertelang blieb die Dose im Besitz der Kasseler Landgrafen und Kurfürsten, bis sie im Zweiten Weltkrieg plötzlich spurlos verschwand. Das Rätsel um ihr Verschwinden konnte nun gelöst werden:  Robert Edward Slicker, ein amerikanischer Soldat, der 1945 nach Kassel kam, entdeckte die Dose den Erzählungen seiner Familie zufolge in einer Schneeverwehung neben den Ruinen von Schloss Wilhelmshöhe. Er nahm sie mit, wohl wissend, dass sein Offizier ihm verboten hatte, Kriegsbeute zu machen. Beglückt schrieb er seiner Frau: »Ooh honey, it is beautiful. […] I’m keeping it for you. After all it was made for a Queen wasn’t it! […] honey you’ll have something that is very, very beautiful!«.

Abb.: Soldat Robert E. Slicker (1918-2005), Finder der Elfenbeindose, marschierte als Soldat der 80. Infanterie-Division der US-amerikanischen Armee Anfang April 1945 in Kassel ein. MHK

Slickers Tochter Denise Nelson war drei Jahre alt, als ihr Vater zurückkehrte. Die kostbare Dose blieb 73 Jahre lang im Besitz der Familie und wurde Teil ihrer Geschichte, eng verknüpft mit den Kriegserlebnissen des Vaters. Angeregt durch den Film »Monuments Men«, der sich um eine amerikanische Soldatentruppe zum Schutz von Kunstgütern während des Zweiten Weltkrieges dreht, wandte sie sich 2017 an die Deutsche Botschaft in Washington. Sie wollte in Erfahrung bringen, ob es sich bei ihrem Familienschatz um einen Kriegsverlust aus Kassel handelt. Im Herbst 2018 übergab Denise Nelson die Dose an die Museumslandschaft Hessen Kassel, ohne eine Entschädigung für die Rückgabe des wertvollen Objekts zu verlangen.  »Ich bin glücklich, dass die Dose nun wieder zurück in Kassel ist«, sagte Frau Nelson lächelnd bei der Übergabe, die im untenstehenden Filmausschnittausschnitt zu sehen ist. »Es war mir so ein wichtiges Anliegen, das Objekt zurückzugeben und auf diese Weise ein bisschen die Arbeit der Monuments Men fortzusetzen.«

Die wunderschöne Elfenbeindose kann jetzt wieder im Hessischen Landesmuseum bewundert werden.  Wer mehr über die spannende Geschichte erfahren möchte, kommt Ende Februar zur Kunstpause der Leiterin der Sammlung Angewandte Kunst, Dr. Antje Scherner:

27. Februar 2019 • 12.30–13 Uhr
Heimkehr einer Elfenbeindose.
Kasseler Kriegsverluste im Zweiten Weltkrieg

Kunstpause im Hessischen Landesmuseum